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„Musik im Gespräch!“(03/04 2014)

Dominikus Burghardt: „Musik und Sprache sind greifbare Klangarchitekturen!“

Dominikus Burghardt: „Musik und Sprache sind greifbare Klangarchitekturen!“

Foto: privat

Der Pianist, Liedbegleiter, Kammermusiker, Chordirektor und Hoch­schuldozent Dominikus Burghardt im Gespräch mit unserer Redaktion.


Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen auf der Musik des 19. Jahrhunderts und der Werke zeitgenössischer Komponisten, auch selten gespielter Werke. Dominikus Burghardt wurde 1965 in Essen/Ruhr geboren und studierte von 1985-1994 Klavier an den Musikhochschulen in Essen, Düsseldorf und Hannover bei den Pianisten Boris Bloch, Roberto Szidon, und David Levine. Ergänzende Studien im Fach Liedgestaltung führten ihn nach Wien zu Norman Shetler und nach Zürich zu Irwin Gage. Seither folgten zahlreiche Konzertverpflichtungen als Solist, Liedbegleiter, Kammermusikpartner und Ensemblemitglied im In- und Ausland sowie CD-Einspielungen und Rundfunkaufnahmen. Seit über 20 Jahren unterrichtet Dominikus Burghardt außerdem als Dozent die Fächer Klavier, Partienstudium, vokale Korrepetition und Liedgestaltung an verschiedenen Hochschulen, u.a. in Leipzig, Detmold/Dortmund und Essen und ist ebenso gefragter Pädagoge für Meisterkurse. Ein weiteres Standbein seiner künstlerischen Praxis ist die Arbeit als Chordirigent. Studien hierzu führten ihn zu Erwin Ortner, Volker Hempfling und Raimund Wippermann. Nach langjähriger Assistenz beim Essener Bachchor leitet er seit 2001 den Ratinger Kammerchor. Mit ihm hat er u.a. 2007 die Oper „St. Kilda - Insel der Vogelmenschen“ in Düsseldorf uraufgeführt. 2008 rief er aus Anlass des 10-jährigen Bestehens des Ratinger Kammerchors den „Ratinger Hugo Distler Zyklus“ ins Leben. 2010 erfolgte die Aufführung des Musiktheaterstücks „Die Irrfahrten des Odysseus“ in der Düsseldorfer Tonhalle. Und Richard Strauss zu Ehren finden 2014 die „Ratinger Richard-Strauss-Tage“ statt (www.ratinger-richard-strauss-tage-2014.de). Für sein musikalisches und künstlerisches Schaffen erhielt Dominikus Burghardt mehrere leistungsbezogene Titel und Auszeichnungen (www.dominikus-burghardt.de).

Können Sie sich an Ihre früheste Begegnung mit der Musik erinnern?

Ich habe nach einer musikalischen Früherziehung mit 8 Jahren meinen ersten Klavierunterricht erhalten und war etwa zwölf Jahre alt, als ich bei einem Klavierabend in Essen von den „Préludes“ Claude Debussys so sehr fasziniert war, dass mich der Wunsch beseelte, mich fortan ernsthaft mit Musik zu beschäftigen. Das war eine regelrechte Initialzündung! Abgesehen davon war ich schon als Kind täglich von Musik umgeben, da mein Vater und mein Großvater viel und gerne Klavier spielten.

Wie haben Sie dann diesen Wunsch verwirklicht?

Ich nahm Klavierunterricht bei dem Solorepetitor des damaligen Opernhauses im Grillo-Theater Essen, Gary Gromis, der später als Studienleiter bei Daniel Barenboim an der Lindenoper Berlin arbeitete. Aufgrund meiner Begeisterung und intensiven Ausbildung gelang mir mit 16 Jahren mein erster großer öffentlicher Auftritt. Auf dem Programm stand u.a. Klaviermusik von Debussy - bezeichnender­weise. Das Konzerterlebnis und der Erfolg ließen in mir endgültig den Gedanken reifen, Musik zu studieren - zunächst noch ohne spezielle Ausrichtung, aber mit dem Klavier als Mittelpunkt. Es war die Zeit, in der ich mich außerdem für den Chorgesang sehr stark interessierte und Sänger im Essener Bachchor war.

Der Ratinger Kammerchor 2007 bei einer Probe zur EU-Oper "St. Kilda - Insel der Vogelmenschen", teilweise mit Extremchoreografie durch Abseilaktionen im Medienzentrum Düsseldorfer Zollhof - und alles mit Gesang!
Foto: Ratinger Kammerchor

Wie haben Sie Ihr Musikstudium geplant und organisiert?

Ich habe mich nie um einen Studienplatz allein an einer Hochschule beworben, sondern habe mir meine Professoren gesucht. So war mein erster Lehrer an einer Musikhochschule Professor Boris Bloch (Klavier) in Essen, gefolgt von Professor Roberto Szidon (Klavier) in Hannover, Professor David Levine (Klavier) in Düsseldorf und Professor Norman Shetler (Liedgestaltung) in Würzburg bzw. Wien.

Hatten Sie Vor- oder Leitbilder während Ihres Musikstudiums?

Das waren meine Lehrer. Der Pianist Roberto Szidon erweckte in mir die Fähigkeit zur Fantasie - d.h. dem Unüblichen, Fernliegenden und Absoluten nicht nur zu begegnen, sondern es künstlerisch-musikalisch anzuwenden und einzubringen. David Levine eröffnete mir den Blick für musikalischen Tiefgang, Dichte und Atmosphäre etwa bei den späten Schubert-Sonaten. Von Norman Shetler nahm ich - ich würde es nennen: „musikalischen Instinkt“ mit. Bei ihm lernte ich poesievolle Liedbegleitung, d.h. vor allem „atmendes“ und lyrisches Klavierspiel. Von dieser dreifachen Substanz - Fantasie, Tiefgang und Poesie - lebt mein ganzes musikalisches Schaffen!

Können Sie kurz beschreiben, wie sich diese glücklichen Voraussetzungen in Ihrer musikalischen Arbeit zeigen?

Ja! Es gibt ein wichtiges Motiv, und das ist eine gewisse Unabhängigkeit, die mir den Blick freigibt und freilässt für exklusive Projektarbeit mit besonderen Alleinstellungen wie etwa meine Musiktheater- und Konzertprojekte, z.B. die EU-Oper „St. Kilda - Insel der Vogelmenschen“ (2007) oder das Musiktheaterprojekt „Die Irrfahrten des Odysseus“ (2008), nach einer grafischen Partitur von Anestis Logothetis mit dem originellen Untertitel „Akustische Turbulenzen für Stimmbänder und Instrumente". Unter den Konzertprojekten sind zu nennen der „Ratinger Hugo Distler Zyklus“ (2008) aus Anlass des 10-jährigen Bestehens des Ratinger Kammerchors oder jetzt ganz aktuell die „Ratinger Richard-Strauss-Tage“ zu Ehren von Richard Strauss aus Anlass seines 150. Geburtstags: 06.04./22.06./03.10.7/16.11.2014. Zu meinem „Luxus“ der Unabhängigkeit gehören auch Interpretationen und Aufführungen von Werken weniger bekannter Komponisten oder selten gespielter Werke bereits etablierter Meister.

Bestens aufgestellt: Der Ratinger Kammerchor bei seiner Kroatien-Konzertreise 2013 in der Sankt Franziskus-Kirche, Pula.
Foto: Ratinger Kammerchor

Welche Rolle spielt der Ratinger Kammerchor in Ihrer musikalischen Arbeit?

Der Ratinger Kammerchor spielt eine wichtige Rolle! Er ist ein gemischtes Vokalensemble. Die maximale Teilnehmerzahl von 30 wurde bislang nicht überschritten. Auch wenn ich diesen Chor seit 2001 leite, so kenne ich das Ensemble und einzelne Choristen schon länger recht gut. Das sängerische Potential, das in dieser Gruppe ruht, ist vergleichsweise groß und beständig. Zusammen mit diesen z.Z. 26 Sängerinnen und Sängern konnten wir das musikalische Niveau im Laufe von mehr als 10 Jahren auf ein sehr ansehnliches semi-professionelles Profil steigern, nicht zuletzt durch die Opern- und Konzertprojekte. Die freundlichen und lernbereiten Persönlichkeiten, von denen einige gesanglich gut geschult sind, besitzen ein gutes Gespür bei der Gestaltung etwa von weltlichen Chorliedern eine professionelle Sprachbehandlung ins Werk zu setzen und somit nicht Töne „nur“ zu singen, sondern mit ihnen zu interpretieren. So ist die spezielle Atmosphäre aus Klang und Sprache allmählich zum Markenzeichen des Ratinger Kammerchors geworden. Durch eine konzentriert-schlanke Tongebung und unbedingte intonatorische Mitte haben wir uns diesen für uns typischen Klang angeeignet und fügen so Musik und Sprache als Klangarchitektur zusammen!

Welche Zukunft sehen Sie in der Zusammenarbeit mit dem Ratinger Kammerchor?

Mein erstes Anliegen ist es, den Ratinger Kammerchor und seine Charakteristik weiter zu fördern und zu entfalten. Vielleicht lässt sich die Zahl der Choristen noch auf 36 erhöhen. Ansonsten wünsche ich mir, mit dem Chor weiter attraktive Podien zu erschließen und durch Konzertreisen den Horizont ständig zu weiten. Auf eine solche Zukunft freue ich mich besonders!


Das Gespräch führte
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg