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„Musik im Gespräch!“(11/12 2016)

Bernd Peter Fugelsang: „Musik ist eine Universalsprache, die alle Menschen verbindet!“

Bernd Peter Fugelsang: „Musik ist eine Universalsprache, die alle Menschen verbindet!“

Bernd Peter Fugelsang am 27.09. in dreifacher Funktion: als Solo-Oboist, als Dirigent – und wie hier als freudiger Kommunikator.Foto: Thomas Kalk

Bernd Peter Fugelsang wurde in Düsseldorf geboren und studierte Oboe als Hauptfach an der Robert Schumann Musikhochschule Düsseldorf. Noch während des Studiums hatte er bei den Düsseldorfer Symphonikern eine Aushilfsstelle als Oboist und sammelte so in Konzert und Oper schon sehr früh wichtige Orchestererfahrungen. Seit 2005 ist er Oboist im Musikkorps der Bundeswehr Siegburg. Als überzeugter Orchestermusiker mit Dirigierstudium, der sich ebenso als Orchestermanager versteht, spürte Bernd Peter Fugelsang schon sehr früh die Abhängigkeit zwischen Gruppendynamik und Musikalität in einem Ensemble. Mit seiner Ehefrau, der Bratschistin Estelle Spohr, gründete er 2011 die Camerata Louis Spohr - auch als Hommage an den Namengeber. Seitdem steht das Ensemble als Profiorchester und Musikergemeinschaft im Mittelpunkt seines Wirkens. Sein Bekenntnis: „Musik ist eine Universalsprache, welche die Menschen miteinander über alle Grenzen hinweg verbindet und ein Grundnahrungsmittel für uns alle ist!“ (www.camerata-duesseldorf.de)

Für das musikalische Rahmenprogramm am 27. September sorgten 14 Mitglieder der Camerata Louis Spohr. Dabei erklangen der 1. Satz aus Johann Sebastian Bachs Konzert für Oboe d'amore und Streicher A-Dur, BWV 1055 und Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 29 A-Dur, KV 201.

Können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit der Musik erinnern?

Ich war fünf Jahre alt, 1973, eine Zeit also, in der Herbert von Karajan sehr populär war. Es lief gerade die Fernsehübertragung eines Konzertes mit seinem Dirigat. Da muss ich wohl zu meinen Eltern gesagt haben: „Was der macht, will ich auch mal machen!“ Ich bin in einem Nichtmusiker-Haushalt aufgewachsen, wo es auch kein Klavier gab. So erhielt ich einige Zeit später dann Akkordeon-Unterricht, immerhin einem Harmonieinstrument mit Anforderungen an die Geläufigkeit der Hände. Später - mit zehn Jahren - kam Klavier hinzu, jedoch in einem Alter, in dem angehende Kapellmeister normalerweise schon einiges an Klavierliteratur bewältigt und in ihr Repertoire aufgenommen haben.

Mit 15 - eigentlich etwas spät - kam noch Oboe hinzu. Aber das war dann wirklich „mein“ Instrument. Die unendlich schöne Musik aus „Schwanensee“ von Tschaikowsky hier an der Oper unter Mitwirkung berühmter Künstler wie Heinrich Riemenschneider hatte mich derart überwältigt, so dass ich diesem Instrument mit seinem betörenden, durchdringenden, aber dennoch weichen Klang über mein Studium und im Beruf bis heute als Solo-Oboist die Treue gehalten habe, auch wenn das Instrument an den Spieler höchste Anforderungen stellt.

Welche Funktion hat eine Oboe in der Dramaturgie, in der Architektonik einer Orchestermusik?

Die Oboe wird von Nicht-Oboisten manchmal als „Diva“ bezeichnet, weil sie wegen ihrer Wirkung nicht nur bei der Einstimmung unmittelbar vor einem Konzert den Ton angibt, sondern auch sonst in Orchestermusiken oft eine dominierende, lyrische Funktion hat, so als müsse sie im rhetorischen Melodienablauf gelegentlich eine Art Zwischen-Resümee abgeben. Im berühmten Amadeus-Film (1984) von Milos Forman gibt es einen Hinweis auf diese Funktion in einer Mozartsinfonie. Wenn ein Oboist sein Instrument beherrscht, kann er sich schon in jeder Weise behaupten.

Was fasziniert Sie an der Arbeit mit und in einem Orchester?

Das Faszinierende der Orchestermusik, auch über die verschiedenen Besetzungsmöglichkeiten hinweg - von der Formation eines kleinen Kammerensembles mit ca. 15 Musikern, wie hier heute Abend, über mittelgroße mit ca. 45/60 Musikern bis zu großen und sehr großen Formationen mit 90 oder gar über 100 Musikern - ist der Klang, der typische, bisweilen volle, satte, aber auch ebenso schlanke, vielseitige, filigrane Orchestersound, mit dem sich unglaubliche Klangstrukturen und Melodienverläufe sowie unendlich viele Facetten an emotionalen Wirkungen entfalten lassen.

Faszinierend ist außerdem das besondere Zusammenwirken vieler oder gar sehr vieler Musiker bei einem in der Zeit ablaufenden Ereignis, das man Konzert nennt. Es handelt sich ja um Persönlichkeiten und Individuen mit ihren verschiedenen Kompetenzen, aber auch mit ihren Marotten und ihren sehr persönlichen Biografien und Schicksalen, die sich da für die Dauer einer Probe oder eines Konzertes treffen, um gemeinsam für ein empfängliches und begeisterungsfähiges Publikum ein Klangwerk entstehen lassen.

Fugelsang spielt als Solo-Oboist den alten Bach, wirkt aber so, als würde er swingen!Foto: Thomas Kalk

Wie entwickelte sich bei Ihnen der Wunsch, auch Orchesterleiter zu werden?

Humoristisch würde ich antworten: Ich habe manche „schlechte“ Dirigenten erlebt (nicht böse gemeint)! Also nach dem Motto: „Was der kann, das könnte ich auch.“ Zu meinen positiven und wirklich inspirierenden Orchesterleitern als Highlights gehören beispielsweise Fabio Luisi (heute stellvertretender GMD an der MET New York), Hans Wallat oder John Axelrod (mein gelegentlicher Mentor). Zu meinen Vorbildern gehören ebenso Leonard Bernstein, Carlos Kleiber oder auch Sir Simon Rattle.

Was ist für Sie ein guter Dirigent und was bedeutet es für Sie selbst, Dirigent zu sein?

Das ist für mich die zentrale Frage meines Lebens. Ein Dirigent, also ein Kapellmeister, verbringt während seines Studiums notgedrungen viel Zeit am Klavier (zusammen mit seinem Professor) - etwa auch beim Partitur-Studium. Das ist gut und wichtig. Was er darüber hinaus jedoch dringend benötigt, ist der unmittelbare Bezug und Umgang mit dem Orchester selbst. Man muss „ein Händchen haben“ bzw. entwickeln und auch an das Zusammentreffen eines jungen Kapellmeisters mit Orchestermusikern als „alten Hasen“ denken, wo der Graben zwischen beiden durchaus sehr tief sein kann.

Ein guter Dirigent zeichnet sich etwa dadurch aus, wenn er vorne nicht „stört“ und „reingrätscht“, wie man auch sagen könnte. Takte zählen können die Musiker auch. Was das Orchester braucht, ist Orientierung und dass der Dirigent nicht gegen das Gefühl der Musiker arbeitet, sondern mit ihm. Für mich ist ein guter Dirigent derjenige, der die Musiker als Orchester koordiniert und auf den Punkt bringt. Das Ideal ist, wenn die Musiker nicht nur ihre Töne abliefern und gleichzeitig spielen, sondern das Geschehen auch gleichzeitig empfinden. Das ist schon einmal eine große Herausforderung.

Also: Ein Orchester - im besten Sinne - um den Finger wickeln. Wenn das gelingt, ist das eine Kunst, über die sich jeder Orchestermusiker freut. Für mich bedeutet das: Wenn ich vorne stehe, dann „darf“ ich mit meinen Musikern zusammen Musik machen - nicht weil ich muss, weil ich Dienst habe, sondern ganz mit einer gehörigen Portion Demut zusammen zu musizieren, die Musiker aus der Reserve zu locken, zu inspirieren und die Musik zum Leben zu erwecken, so wie es auch Karajan gerne formulierte. Auch, dass die Musiker mit Körper, Geist und Seele bei der Sache sind und ihre Arbeit mit Freude und Liebe machen. Das sind alles Qualitäten, die man zwar nicht sehen, aber als Zuhörer deutlich hören oder sogar spüren kann.

Sie schauen beim Dirigieren zwischendurch Ihre Musiker auch immer wieder mal an, als wäre das eine je sehr persönliche Ansprache?

Ja, mit diesen Blicken und Gesten signalisiere ich meinen Musikern, dass ich bei ihnen bin, oder auch, dass ich damit sagen will: „So, jetzt bist Du dran, mach' Deine Sache gut, wie geprobt und besprochen.“ Diese ganz kurzen Augenblicke müssen natürlich auch mit einem großen Orchester möglich sein und funktionieren. Dies war auch zum Beispiel der Fall bei unserem Konzert am 10. Oktober 2015 u. a. mit der ersten Sinfonie von Gustav Mahler hier in der Düsseldorfer Tonhalle mit 90 Musikern auf der Bühne!

Bloß nicht „stören“ vorne vor dem Orchester. Die Musiker können ihre Takte auch selbst zählen. Beim Dirigat sind ganz andere Kompetenzen gefragt.Foto: Thomas Kalk

Wie kam es zur Gründung der Camerata Louis Spohr? Welche Grundidee verbirgt sich hinter dem Namen „Camerata Louis Spohr“?

Schon im Studium hatte ich mit Mitstudenten und Kollegen zusammen gearbeitet und Orchestermanagement aufgebaut. Das war zwar sehr erfolgreich, aber das / die Orchester traten immer wieder - wenn auch oft mit denselben Musikern - doch unter anderen Namen an die Öffentlichkeit, so dass die Möglichkeit der Wiedererkennung auf der Strecke blieb. 2011 habe ich dann mit meiner Frau, Estelle Spohr, zusammen überlegt, wie man das Orchester unter einen einzigen und unverwechselbaren Namen stellen könnte, um seine Identität und Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten.

So kamen wir auf den Begriff „Camerata“. In der italienischen Sprache bedeutet das so viel wie „Kammer-Gemeinschaft“, aber auch „Gefährte“ (abgeleitet von ital. „camera“ - die Kammer, bzw. private Räumlichkeit). Meine Gedanken waren dabei im phonetischem Sinne an Gemeinschaft (auch Kameradschaft), an gemeinsame Interessen/Ansprüche und an eine gemeinschaftliche Präsentation der Arbeitsergebnisse in der Öffentlichkeit. Dann war da die Verbindung zum Namensgeber: Louis Spohr (1784-1859). Er war Komponist, Dirigent, Violinpädagoge, Organisator von Musikfesten sowie ein Geiger von internationalem Ruf. Neben dem Italiener Niccolo Paganaini zählt er zu den größten Geigern seiner Zeit. Spohr war bereits zu Lebzeiten eine Berühmtheit und galt ab Mitte der 1840er Jahre als der bedeutendste lebende deutsche Komponist. Er gilt auch als ein „Pionier“ des Taktstockes.

Meine Frau, Estelle Spohr, hat eine direkte familiäre Beziehung zu der großen Familie von Louis Spohr und seinen Vorfahren. So lag es nahe, diesen Namen als Hommage an Louis Spohr zu verwenden, verbunden mit der Absicht, seine leider etwas in Vergessenheit geratenen Werke wieder lebendig werden zu lassen. So ist der Name „Camerata Louis Spohr“ zustande gekommen. 2011 fand in Würzburg das Gründungskonzert statt, einem Auftragskonzert mit damals schon über 70 Musikern.

Bruchteil einer Sekunde: Mit Gefühl, mit Ernst, Einsatz und Heiterkeit spielen die Musiker der Camerata Louis Spohr. Foto: Thomas Kalk
Links konzentriert sich Jonas, der bereits seit dem 17. Lebensjahr Mitglied der Camerata ist, in froher Erwartung auf seinen Orchester-Einsatz!Foto: Thomas Kalk

Auf der Homepage der Camerata Louis Spohr nennen Sie sich „viel-harmonisches“ Orchester - wie ist das zu verstehen?

„Harmonie“ ist natürlich ganz wichtig - nicht nur in Bezug auf den Klang, sondern auch in Bezug zur Vielseitigkeit. Jedes Jahr haben wir über 20 Konzertprojekte im ganzen Rheinland - von Kleve bis Königswinter - mit Anfragen von Konzertchören und Kantoren, um mit uns zusammen Konzerte zu veranstalten. Dadurch hat sich die Camerata als ein musikalischer Botschafter unserer Heimatstadt Düsseldorf entwickelt. Dabei sind immer die unterschiedlichsten Besetzungen gefragt. Das beginnt bei einer kleinen Formartion, dem Streichquartett mit 4 Damen, über eine Besetzung als Kammerorchester wie heute Abend, über das kleine Sinfonieorchester mit 25-30 Musikern, das „normale“ Orchester mit einer Oratorienbesetzung von 36-48 Musikern - oder auch schon einmal bis zu 100 Musikern bei unseren eigenen Konzerten.

„Harmonie“ ist natürlich auch die Harmonie untereinander. Sollte mal der „Haussegen“ etwas schief hängen, dann hänge ich den ganz schnell auch wieder gerade, was aber zum Glück ganz selten vorkommt. Das heißt nicht, dass wir immer derselben Meinung sein müssen. Die Beherrschung des Instrumentes ist dabei nur eine Anforderung, während die Integration in eine Gruppe eine weitere Anforderung darstellt, um die menschliche Harmonie zu erreichen - also fast wichtiger als die instrumentale Seite. Man kann eben nur dann gut miteinander arbeiten, wenn es auf der Beziehungsebene stimmt - es sind übrigens Standards, die man auch in der freien Wirtschaft und auch in der Bildungsarbeit findet. Mittlerweile sind wir mit fast 100 Musikern zum größten freischaffende Profi-Sinfonieorchester in der Besetzungsstärke herangewachsen. Jedoch haben wir keinen öffentlichen Träger und erhalten auch keine Zuschüsse.

Estelle Spohr, engagierte Bratschistin, Mitgründerin der Camerata Louis Spohr und Nachfahrin aus der großen Familie von Louis Spohr. Foto: Thomas Kalk

Wie würden Sie das Programmkonzept der Camerata Louis Spohr beschreiben?

Direkt gesagt: „Gut!“ Beispielsweise gehören Benefizkonzerte zu unserem Schaffen wie alljährlich unser Konzert am Pfingst-Sonntag in der Düsseldorfer St. Andreaskirche. Derzeit in Planung ist auch ein Benefiz-Konzert im Großen Saal des Maritim-Hotels am Düsseldorfer Flughafen. Unsere Idee dabei: Die von Not betroffenen Kinder sind diejenigen, die sich am wenigsten selbst helfen können - es ist aber die Generation von morgen. Also muss man für sie etwas tun. Mein Programmkonzept nennt sich „Römische Matinée“ und setzt sich zusammen aus Arien und Musikstücken, gespielt von der Camerata Louis Spohr, mit Werken von Rossini, Puccini, Verdi u. a., umrahmt von einem prominenten Moderator. Es treten verschieden Künstler auf, und nach dem Konzert gibt es für die Besucher einen ausgiebigen italienischen Brunch.

Zum Programmkonzept gehört im Jahr außerdem unser „eigenes“ Konzert in der Düsseldorfer Tonhalle, stets unter dem Motto „Musik für die Menschen“ mit beliebten Werken bekannter Komponisten. In diesem Jahr - am 10. Dezember 2016 - mit Werken von Louis Spohr, Ottorino Respighi (zum 80. Todestag) und Peter Tschaikowsky.

Gibt es berufliche Wünsche für Sie, die sich erfüllen mögen?

Man darf ja nicht vergessen, dass sich meine Leitung der Camerata Louis Spohr - inklusive Management, Organisation, Dramaturgie, Verwaltung, Planung, Finanzen - bisher leider nur als Nebenerwerb gestalten lässt. Ich könnte das alles nicht leisten, wenn mich meine Frau dabei nicht so intensiv unterstützen würde. Ich würde meiner Berufung als Musiker und besonders der als Dirigent der Camerata Louis Spohr doch sehr gerne weiter folgen und diese Arbeit hauptberuflich leisten. Dies geht jedoch nur über die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem Träger, mit dem man eine Stiftung gründen könnte.

Unter solchen Bedingungen könnten wir im Sinne unseres Selbstauftrags (und unserer Ideale) viel mehr Konzerte geben und unsere Öffentlichkeitsarbeit viel intensiver betreiben. Man könnte Konzertreisen (nicht nur NRW, sondern auch Europa und weltweit) anbieten, CDs Produzieren, an Festivals teilnehmen, Meisterklassen für Dirigenten und Orchestermusiker anbieten sowie Vorträge / Diskussionen veranstalten und vieles mehr. Als freischaffendes Profi-Orchester könnten wir auf diese Art und Weise eine beglückende Entfaltung unserer Talente und Ziele erreichen! Wir verstehen uns alle sehr gut, arbeiten sehr gerne zusammen und zeigen uns sehr gerne in der Öffentlichkeit, mit dem was wir können und wollen. Mit dem „Grundnahrungsmittel Musik“ und der Art, wie wir sie verstehen, wollen wir die Menschen erreichen, berühren und ihnen ein erfülltes Konzerterlebnis vermitteln!

Das Gespräch führte
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg.

Bernd Peter Fugelsang und Hartwig Frankenberg im angeregten und heiteren Gespräch in der Musikbibliothek.Foto: Thomas Kalk