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(05/06 2017)

Neue Delikatesse - Karpfen im Mai?

Neue Delikatesse - Karpfen im Mai?

Prof. Dr. Hartwig Frankenberg
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Die Maischolle versteht sich bekanntermaßen nicht als eigene Fischgattung, sondern jub(r)illiert explizit als saisonal junge, zarte und hübsche Scholle im Mai, die noch nicht protzend über den Tellerrand hinausragt.

Entschieden festlicher und durchaus aerodynamisch getuned steht es dagegen um den „Karpfen im Mai“! Er ist zunächst keine gastrosophische Delikatesse, sondern gibt sich ebenso zartbesaitet, aber dennoch ziemlich flugtauglich, jedenfalls überaus wind- und wetterfühlig! Gemeint ist der sogenannte „Wind-Koi-Karpfen“ aus buntem Papier in der japanischen Festkultur, wenn er sich im Frühling alljährlich am 5. Mai, zur Freude der Familien und den Kindern zur Glücksverheißung, an Fahnenstangen gebunden, waagrecht im Gegenwind schwimmend schlängelt.

Als transformierter Drache kann er sich ebenso mythenkonform in die Lüfte schwingen, was wir am Rheinufer auf Oberkasseler Seite (und nicht  nur im Mai) staunend beobachten können.

Der mitteleuropäisch vertraute Speise-Karpfen nun, als ältester, wichtigster, bukkelbetonter Süßwasserfisch Cyprinus carpio, stammt vermutlich aus China, Japan oder Mittelasien, bevor er meist flussaufwärts, Staustufen heroisch überspringend, seinen Weg nach Westen fand. Auch hier gilt er mittlerweile als zäh- und langlebig (bis zu 60 Jahren!), als ausdauernd, stark und stolz - verkörpert gar Erfolg, Glück und Reichtum. Kein Wunder, dass er rasch, wenn auch weniger farben- und legenden-freudig als im fernen Asien, als Festtagsklassiker zu Weihnachten oder Silvester in unseren festlich gestimmten Haushalten beliebt und bekannt geworden ist. Fast könnte man sich den bunten Koi, oder den schillernden Karpfen, auch als heraldisches Zeichen in manchem Familienwappen vorstellen oder wünschen.

Zum Beispiel in der Familie des jungen Dirigenten Alexander Kalweit, der mir vor zwei Jahren am Telefon begeistert erzählte, wie er in Berlin gerade samt Eltern und Geschwistern mit einem großen und prächtigen Karpfen für den unmittelbar Bevorstehenden Weihnachtsabend vom Markt gekommen war.

Wie und ob sich die symbolische Bedeutung dieses Fisches und seine Glücks-Kräfte auch auf Leben und Arbeit eines aufstrebenden Orchesterleiters auswirken können, lässt sich vielleicht am ehesten aus dem Interview ermitteln, das wir mit Kalweit am 28. März in der Düsseldorfer Musikbibliothek geführt haben. In der vorliegenden Ausgabe des Konzertkalenders können Sie jedenfalls in der redaktionellen Fassung des Gesprächs – zwischen den ausgelobten Konzerten Mai und Juni - nacherleben, welche magischen und realen Kräfte einem Dirigenten nützlich sein können! Möglicherweise ist das Rätselbild auf der Titelseite schon die erste Entwurfsskizze für ein Hoheitszeichen besonderer Art?

Herzliche Grüße –
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Editorial

Titelgrafik: Michel Schier, Düsseldorf